Was Sie über Reifen wissen sollten
Im Frühjahr und im Herbst beginnt für die Autofahrer die fünfte Jahreszeit. Es ist Reifenwechselsaison. Vor der Wintersaison startet die Diskussion über die sogenannte Winterreifenpflicht jedes Jahr aufs Neue. Viele Autofahrer sind verunsichert und stellen sich Fragen wie: Brauche ich Winterreifen oder genügen Ganzjahresreifen, ab welcher Temperatur sollte auf Winterreifen beziehungsweise Sommerreifen gewechselt werden oder wie alt dürfen meine Reifen sein?
Gibt es eine generelle Winterreifenpflicht?
In Deutschland gibt es die situationsbedingte Winterreifenpflicht. Bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte schreibt Paragraph 2, Absatz 3a der Straßenverkehrsordnung (StVO) vor, dass Kraftfahrzeuge nur mit Reifen gefahren werden dürfen, die über eine entsprechende Kennzeichnung als M+S-Reifen (Matsch und Schnee) verfügen. M+S-Reifen, auf denen zusätzlich das Bergpiktogramm mit Schneeflocke abgebildet ist, verfügen über besondere Eigenschaften auf Eis und Schnee. Für das Fahren mit Sommerreifen bei den genannten Einschränkungen sieht der aktuelle Bußgeldkatalog eine Strafe von 60 Euro und einen Punkt im Fahreignungsregister vor. Kommt es dabei zu einer Behinderung, werden 80 Euro sowie ein Punkt fällig. Sollte es dadurch zu einem Unfall kommen, werden sogar 120 Euro Bußgeld sowie ein Punkt in Flensburg verhängt.
Darf ich eigentlich mit Ganzjahresreifen auf Schnee fahren?
Sogenannte Ganzjahresreifen oder Allwetterreifen verfügen über die M+S-Kennzeichnung und vereinen sowohl die Eigenschaften eines Sommer- als auch eines Winterreifens. Sie dürfen bei allen Wettersituationen gefahren werden, also auch auf Schnee. Ganzjahresreifen stellen allerdings nur einen Kompromiss zu den reinen Winterreifen dar. Vor allem auf Eis und Schnee sind sie den Winterreifen, zu erkennen am Bergpiktogramm und Schneeflocke, in Sachen Bremsweg, Traktion und Handling unterlegen. Auch im Vergleich zu Sommerreifen schneiden sie in der warmen Jahreszeit schlechter ab. Ganzjahresreifen sind eher empfehlenswert für Wenigfahrer, die sehr selten in Bergregionen unterwegs sind. Ihren Hauptvorteil können sie bezüglich des Kostenfaktors ausspielen. Ganzjahresreifenfahrer sparen sich das mühselige Umrüsten der Reifen und einen Komplettsatz Bereifung.
Reifenwechsel: der 7-Grad-Mythos – stimmt die O-bis-O-Regel noch?
Die gute alte Faustregel für den Reifenwechsel von Oktober bis Ostern ist für viele Autofahrer das Maß der Dinge. Sie stellen sich beharrlich Anfang Oktober an die Schlangen der Reifendienste an. Aber stimmt die O-bis-O-Regel noch? Generell kann es in unseren Breitengraden bereits im Oktober und bis in den April hinein zu Schneefall kommen und Temperaturen um den Gefriergrad geben. Daher stimmt die Regel als Faustformel. Wer allerdings nicht jeden Tag auf sein Auto angewiesen ist oder in flacheren Regionen mit geringer Schneefallwahrscheinlichkeit wohnt, muss sich nicht zwingend daran halten. Spätestens aber im November sollte auf die Winterpneus umgesattelt werden, denn dann beginnt die Zeit, bei der sich die Temperaturen auch tagsüber dauerhaft im Frostbereich beziehungsweise um die Null-Grad-Grenze bewegen können.
Der Mythos, Sommerreifen haben unter 7 Grad einen schlechteren Grip als Winterreifen, ist heutzutage nur bedingt richtig. Moderne Sommerreifen können auf Nässe und bei trockenen Bedingungen auch noch knapp über dem Gefrierpunkt Vorteile gegenüber den Winterspezialisten hinsichtlich Traktion und Bremsverhalten aufweisen. Möglich ist dies aufgrund innovativer Reifenmischungen, verbesserter Profilierungen und breiterer Reifen. Vielmehr hat die witterungsbedingte Straßenbeschaffenheit, also ob schneebedeckte, reifüberzogene oder vereiste Fahrbahnverhältnisse herrschen, den entscheidenderen Einfluss auf den Reifengrip als nur die reine Außentemperatur. Die strikte Wechselempfehlung bei 7 Grad Celsius stimmt also nicht. Die meisten Fahrzeuge verfügen heute über einen Warnton beziehungsweise eine Warnleuchte, die bei einer Außentemperatur von 3 bis 4 Grad aktiv wird. Ab da sollte der Fahrzeugführer auf glatte Straßen gefasst sein und sein Fahrverhalten entsprechend den äußeren Bedingungen anpassen.
Wann brauche ich neue Reifen und müssen die neuen Pneus eingefahren werden?
In Deutschland ist bei Pkw-Reifen eine Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimeter gesetzlich vorgeschrieben. Dennoch sollten Autofahrer ihre Reifen nicht ganz bis zum vorgeschriebenen Grenzwert abfahren. Je weniger Profil der Reifen hat, umso schlechter sind Traktion und Bremsverhalten auf nasser Fahrbahn. Gerade bei winterlichen Bedingungen sollten die Reifen besser mindestens 4 Millimeter Profil aufweisen, zumal dies für den Winterurlaub in unseren alpinen Nachbarländern Österreich und der Schweiz ohnehin notwendig ist. Reifen mit weniger Profil zählen dort als Sommerreifen.
Motorsportfans kennen es von den Einführungsrunden in der Formel 1. Frische Reifen müssen angefahren und warmgefahren werden, damit sie ihren optimalen Grip aufbauen können. Ganz so extrem wie im Motorsport ist das bei der Serienbereifung allerdings nicht. Dennoch können fabrikneue Reifen aufgrund ihrer produktionsbedingten glatten Oberfläche sowie von Fertigungsrückständen noch nicht die optimale Traktion aufbauen. Aus diesem Grund raten die Hersteller, bei den ersten 100 bis 300 Kilometern Laufleistung die Reifen nicht im Grenzbereich zu belasten, also starke Beschleunigung und hohe Geschwindigkeiten zu vermeiden.
Wie alt dürfen Reifen sein, muss man sie nach sechs Jahren austauschen, auch wenn sie noch ausreichend Profil haben?
Ein generelles Reifenverfallsdatum gibt es nicht. Auch der Gesetzgeber schreibt keine Altershöchstgrenze für Kfz-Reifen vor. Ausnahme bildet die 100-Kilometer-pro-Stunde-Regelung für Kfz-Anhänger, hier müssen die Reifen jünger als 6 Jahre sein, andernfalls darf nur 80 km/h gefahren werden. Ob ein Reifen nach sechs, acht oder gar zehn Jahren noch ausreichende Hafteigenschaften aufweist, hängt von der Reifenmischung, vom physikalischen und chemischen Alterungsprozess des Gummis und vor allem von der richtigen Lagerung ab. UV-Einstrahlung, Temperatur und Luftfeuchtigkeit haben Einfluss auf den Alterungsprozess. Mit dem Alter härten Reifen zunehmend aus, die Weichmacher gehen verloren, sie werden porös und rissig. Spätestens dann ist davon auszugehen, dass der Reifen nicht mehr über seine optimalen Eigenschaften verfügt. Reifen, die älter als 10 Jahre sind, sollten nur noch verwendet werden, wenn sie zuvor im normalen Gebrauch waren. Dennoch ist es aus Gründen der Sicherheit ab diesem Alter für einen Wechsel auf neue Reifen allerhöchste Zeit.
Das Reifenalter ist an der vierstelligen Zahlenkombination, die am Ende der DOT-Kennzeichnung (Department of Transportation, amerikanische Verkehrsbehörde) auf einer der Reifenseitenwände eingeprägt ist, zu erkennen. Die ersten beiden Ziffern geben die Produktionswoche und die letzten beiden Ziffern das Produktionsjahr an. Die Ziffer 3515 würde also bedeuten, dass der Reifen in der 35. Kalenderwoche im Jahr 2015 hergestellt wurde.
Wie schnell darf mein Reifen gefahren werden? Welche Reifengrößen sind für mein Fahrzeug zulässig?
Fahrzeuge mit Winterbereifung dürfen im Gegensatz zur Sommerbereifung auch mit Reifen ausgestattet werden, die einen geringeren Geschwindigkeitsindex aufweisen als die angegebene maximale Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Fahrzeug, das laut Fahrzeugschein mit einer Höchstgeschwindigkeit von 235 Kilometer pro Stunde angegeben ist, auch mit einem H-Reifen gefahren werden darf. Das H kennzeichnet Reifen, die bis zu einer Geschwindigkeit von 210 km/h zugelassen sind. Wenn Winterreifen mit geringerem Geschwindigkeitsindex montiert sind, muss im Sichtfeld des Fahrers ein M+S-Aufkleber angebracht sein, der die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit des M+S-Reifen angibt. Ist der M+S-Aufkleber in einer solchen Radkombination nicht vorhanden, wird bei der Hauptuntersuchung ein erheblicher Mangel ins Prüfprotokoll eingetragen. Die HU-Plakette wird dann nicht vergeben. Gerade Fahrzeughalter, die erstmals mit ihrem dreijährigen Fahrzeug im Winter zur Hauptuntersuchung müssen, sollten darauf achten.
Wie erkennt der Laie aber, welche Rad-Reifen-Kombinationen für sein Fahrzeug zulässig sind, zumal in neueren Fahrzeugscheinen nicht mehr jede zulässige Reifengröße eingetragen ist? Auskünfte können bei Reifendiensten, in Werkstätten oder an den Prüfstellen des TÜV Thüringen bezogen werden. Die für das Fahrzeug vom Hersteller im Rahmen der Typgenehmigung zulässigen Reifengrößen stehen aber auch in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung, der sogenannten CoC-Bescheinigung (Certificate of Conformity), welche für jeden Fahrzeugtyp vom Hersteller ausgestellt wird. Darüber hinaus können auch andere Rad-Reifen-Kombinationen gefahren werden, wenn für die entsprechende Größe für das Fahrzeug ein Prüfzeugnis vorliegt. Die Auflagen des Gutachtens sind dabei unbedingt zu beachten, etwa: Betrieb mit Schneeketten nicht möglich.
Die Reifendimension wird zum Beispiel folgendermaßen angegeben: 195/65 R 15 91T. Die 195 gibt dabei die Reifenbreite in Millimetern an, die 65 verweist auf das prozentuale Verhältnis von Reifenhöhe zu Reifenbreite, das R steht für Radialreifen, die 15 gibt den Reifeninnen- beziehungsweise den Felgendurchmesser in Zoll an, die 91 ist der Tragfähigkeits- oder auch Lastindex des Reifens (91 bedeutet in diesem Fall eine Traglast pro Reifen von 615 kg) und das T gibt den Geschwindigkeitsindex an (T steht hier für Reifen, die bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h gefahren werden dürfen).
Soll ich im Winter den Reifendruck erhöhen?
Der richtige Reifendruck hat einen wesentlichen Einfluss auf das Fahrverhalten, den Spritverbrauch sowie den Reifenverschleiß. Der Reifendruck muss gegebenenfalls je nach Beladung angepasst werden. Ein Hinweisschild befindet sich in der Regel im Türeinstieg auf der Fahrerseite oder in der Tankklappe. Der Reifendruck sollte im kalten Zustand, also möglichst bei Umgebungstemperatur, regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Der normale Reifendruckverlust wird mit 0,1 bar in einem Zeitraum von 3 Monaten angegeben. In Abhängigkeit von der Außentemperatur ändert sich der Reifendruck. So fällt der bei 20 Grad Celsius gemessene Druck von 2,0 bar auf 1,74 bar ab, wenn die Umgebungstemperatur des Reifens nur noch – 5 Grad beträgt. Ein allgemeines Erhöhen des Drucks ist also nicht erforderlich, allerdings muss gerade bei starkem Frost der Reifendruck überprüft und angepasst werden.
Um das Unfallrisiko zu verringern, hat der europäische Gesetzgeber mit der EU-Verordnung 661/2009 Reifendruckkontrollsysteme für Pkw und Wohnmobile vorgeschrieben, für die ab dem 01.11.2012 eine europäische Typgenehmigung erteilt wurde sowie für alle Pkw und Wohnmobile, die nach dem 01.11.2014 erstmals zugelassen wurden. Diese Systeme warnen den Autofahrer rechtzeitig vor einem zu geringen Reifendruck beziehungsweise einem Plattfuß.
Quelle: www.tuev-thueringen.de